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Armen den Geist aufgab. Statt des Kranzes, der seine Gruft schmücken sollte, möge nun diefes Blatt seinem Andenken dankbar geheiligt seyn.

Schon als Knaben fühlten wir uns beym ersten Sehen zu einander hingezogen. In den Schuljahren schlossen wir den Vertrag, Gedanken und Empfindungen durch Rede oder Schrift in Zukunft immer brüderlich umzutauschen. So ging es auch in Erfüllung, bis Rosenfeld stars: Poesie und Musik waren die Zielpunkte seines geistigen Strebens; Klopstock und Gluck die gefehertesten Heroen seines aufkeimenden Genies. Nur um den Wünschen einer geliebten Mutter nicht unkindlich zu begegnen, widmete der feurige Jüngling vor der Hand fich den theologischen Wissen= schaften. Seine ersten Dichterversuche waren Oden, in welchen er seinem großen Vorbilde nicht ohne Kühnheit und Feuer nachzufliegen strebte. Schummel, damals Rektor des Klosters Unfrer lieben Frauen in Magdeburg, der sich immer als ein strenger Kunstrichter angehender Musenjünger bewies, war der Mei= nung, Rosenfeld könne dereinst ein ausgezeichneter Dichter werden. Späterhin that Rolle, bey Ge= legenheit seiner ersten musikalischen Kompositionen,

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den Ausspruch, daß er auch als Tonseher zu nicht minder vortheilhaften Hoffnungen berechtige.

In Halle lebten wir, in Gemäßheit unsres Lieblingswunsches, ungetrennt. Wir bewohnten das nämliche Zimmer und besuchten die nämlichen Hörsäle. Rosenfeld betrat niemals die Kanzel, weil der Gedanke, den Tonseher mit dem Dichter auf das innigste zu vereinbaren, jeden Tag unumschränktere Gewalt über ihn ausübte. Er nahm Privatunter= richt im Generalbaß bey dem bekannten Musikdirektor Türk und komponirte Melodien zu eigenen Gedichten. Zu seinen liebsten Jugendschwärmereyen gehörte der Wunsch, die teutonischen Bardengesänge, welche Karl der Große fammeln hieß, in irgend einer MönchsBibliothek am Rheinstrom wieder aufzufinden, oder auch, in Bezug auf Offian, eine Reise nach Schottlands Hochgebirgen zu unternehmen. Nach dem Universitätsleben begab er sich zu seinem Oheim und Vormund Bodenburg, einem Landpfarrer in der Nähe von Magdeburg, deffen zweyte Tochter schon früher zur künftigen Lebensgefährtin von ihm erkoren wurde.

Ein günstiger Stern verfeßte mich in Basedows Philanthropie als Lehrer und Aufseher. Nun zog

Rosenfeld ebenfalls nach Dessau, um unter dem Kapelldirektor Rust, einem der ersten theoretischen und praktischen Musikgelehrten jener Zeit, die unter Türk zu Halle begonnenen Studien fortzusehen: denn fester als je zuvor war er jetzt entschieden, die Gesammt= kräfte seines Geistes der Tonkunst und Poesie einzig und ganz zu widmen. Die Verschwisterung beyder Künste, hoffte der hochstrebende Jüngling, würden ihn unausbleiblich zu großen und unsterblichen Resultaten führen. Der schwer zu befriedigende Rust ehrte des unermüdeten Schülers Versuche in der Komposition durch ermunternden Beyfall und nannte sie vielvers heißend für die Zukunft. Auch bewegten sich in Rosenfelds Seele schon manche Plane zu großen Opern, wazu die Stoffe nicht aus der griechischen Mythen und Sagenwelt, sondern aus dem histori= schen Bildersaale des deutschen Helden und Ritter= thums entlichen wurden.

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Eines Morgens fand ich den Freund beschäftigt, seine Stubenthüre mit einer langen Reihe von Kreidestrichen zu bezeichnen. Auf die Frage, was das wohl bedeuten könne, war die Antwort: „Zwischen den Weihnachtsfeyertagen, wo ich meiner Elisa einen

Besuch versprochen habe, liegen von heut an gerade noch vier Wochen. Da machte ich nun ein und dreyßig Striche, um jeden Morgen einen davon wegzuwischen, und mich dann immer königlich darüber zu freuen, daß der Striche täglich weniger werden. Nach dem Erlöschen des letzten steig' ich zu Pferde." Drey Wochen später griff er zu den Schlittschuhen, deren Erfinder bey ihm, wie bey Klopstock, in sehr hohen Ehren stand, um des hellen Wintertages auf der Eisbahn froh zu werden. Zuvor ließ er mich ersuchen, den Kaffee, der uns Nachmittags gewöhn= lich vereinte, des Schlittschuhlaufens wegen, einige Viertelstunden zu verspäten. Statt Rosenfelds kam sein Aufwärter mit verstörten Gesichtszügen, und brachte ĉie Nachricht, man habe Herrn Rosenfeld so eben auf einem Schlitten nach Hause geführt; es müsse wohl etwas Gefährliches vorgefallen seyn, in= dem schon ein Wundarzt sich um ihn zu schaffen mache. Ich fand meinen unglücklichen Freund ohne Bewußtfeyn. Durch einen Fall auf dem Eise ward ihm der Schädel schwer verlegt und das Gehirn völlig zex= rüttet. Bis zum Tode blieb er sprachlos und er= kannte keinen Freund mehr. Instinktmäßig hat er

aber, nach der Katastrophe, an der Stubenthüre noch drey Kreidestriche ausgelöscht. Fünf davon waren übrig, als er vom Leben schied.

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Elisa wurde durch des Geliebten Tod bis zum Grabe niedergebeugt. Sie verschloß die Qual in ihr Herz, und in bleicher, hinwelkender Schwermuth fahen wir sie dasigen, wie die Geduld auf einem Grabmale, welche den Kummer anlächelt." Scheint es doch, als ob Shakespeare Elifas Zustand in diesen Zeilen prophetisch habe schildern wollen! Sie starb im strengsten Wortsinne vor Gram. Daß aber der Gram, den wir uns gewöhnlich als einen langsamen Zerstörer der Lebenskraft vorstellen, so schnell tödten könne, und zwar ein volblühendes Landmädchen, welches nie zuvor bedeutend krank war, davon ist mir im ganzen Laufe meines nachfolgenden Lebens weiter kein Beyspiel kund geworden.

10.

Ein einsamer Spaziergang führte mich nach dem sogenannten Drehberg, wo in frühern Zeiten alljährlich am vier und zwanzigsten September die Ge= burtsfeher der verstorbenen Herzogin Luise fröhlich bez

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