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Horch! Was dir des Tejers Leyer,

Gleims und Flaccus Muse räth:
Weise! Wer der Zukunft Schleyèr
Nur bekränzt und nie durchspäht.
Trag' ein Herz den Freuden offen,
Doch zum Leidenskampf bereit,
Lern' im Mißgeschicke hoffen,

Denk' des Sturms in heitrer Zeit !

b. Salis.

1.

Ein sonnenheller Aprilmorgen lud mich ein, den Dichter Neuffer in seinem Pfarrdorfe Zell unter Aichelberg zu begrüßen, wo er, den Amtspflichten eben so treu, als den Musen lebt. Seine Ver= deutschung der Aeneis darf die Vergleichung mit keiner ihrer Vorgängerinnen scheuen. Gewiß erlangt jeder Nichtlateiner durch sie den richtigsten Maßstab für die poetische Größe Virgils.

Shriften VII.

5

Gegen Mittag kam ich in dem Gasthofe von Unter-Brihingen an, der durch seine reißende Lage an einer Steinbrücke über den Neckar die Einkehr erfreulich macht. Das Haus ist stadtmäßig einz gerichtet, und es fehlt gar nicht an Gastmählern und Bällen darin, die, nach der Versicherung des jovialen Wirthes, eben so zahlreich und eifrig von den Honoratioren aller umliegenden Städte, Dörfer und Landsige besucht werden, als wenn sein Schwanenschild am prächtigsten Hotel von Berlin oder Dres= den schwebte.

Ich machte einen Gang nach dem nahen Dorfe und befahe mich auf dem schönen Landgute des Barons von Thumb, das beynahe allen Forderungen Ges nüge leistet, welche die Dichter gewöhnlich an ein ländliches Sabinum zu machen pflegen. Im Garz ten fiel mir ein mächtiggroßer, ganz in Blüthen= schnee gehüllter Kirschbaum auf. Bienen schwebten um den duftenden Silberschleyer, wie leuchtende Goldfunken. Höltys Verse:

Die Winde verstummen

Und athmen noch kaum,
Die Bienlein umsummen

Den blühenden Baum

Seit

wehten aus meiner Jünglingszeit herüber, und ich wähnte den Apfelbaum im Garten meiner Mutter zu erblicken, unter deffen Schirm ich so oft Ossians, Grays und Höltys Gesängen horchte. Jahren erinnere ich mich keines höheren Frühlingsgenusses, als auf diesem Spaziergange. Alles weckte Wiederklänge aus den Frühlingstagen des Lebens. Auch die Haushaltung der Störche auf dem Dache der Dorfkirche. Die beyden Langschnäbel waren schon seit drey Wochen wieder aus Afrika zurück und standen auf ihrem Belvedere traulich neben einander. Hierauf bestieg ich einen weitumschauenden Hügel, auf dem eine Kirche, mit ihrem Gottesacker und meh= reren angränzenden Baumgruppen, eine Landschafts idee darbietet, würdig, der Ausführung eines Poelemburg oder Ruysdael.` Das Romantische des Ganzen erhöht noch die ernste Steinfigur eines ge= harnischten Ritters am Gatterthore des Gottesackers. Diese Kirche, die den wunderlichen Namen Mariü Hürnholz führt, war vormals ein vielbesuchter Wallfahrtsort mit einem Gnadenbilde. Dieses wirkte, wie der baumstarke Volksglaube noch bis auf den heutigen Tag verkündigt, an Kranken aller Art, Wun=

der über Wunder, und machte lange Zeit, in den benachbarten Ortschaften, die Kunst mehr als eines Arztes zur brødlosen.

In Zell ward ich von dem wackern Neuffer mit altschwäbischer Herzlichkeit empfangen. Unter manchen Wanderungen, die der Freund mit mir in der Umgegend machte, war die nach dem Dorfe Ober-Lenningen in jeder Beziehung die genußreichste. Bey heiterm Himmel und warmer Sonne begannen wir unsern Lauf nach dem LenningerThale, in das man über den sogenannten Sattelbo= gen, einem Gebirgsausschnitte zwischen der Teck und dem Breitenstein hinabsteigt. Den Sattelbogen hatte der Lenz mit dem lasurblauen Teppich der Früh= lingsgenziane geschmückt. Freundlicher Gruß der lieblichen Alpentochter!

Im Dorfe Ober-Lenningen, das von der silberhellen und raschen Lauter durchströmt wird, fanden wir im Pfarrer Roser und deffen Gattin die artigsten und gefälligsten Wirthe. Beyde leb= ten einige Monate zu verdün, um tiefer in den Geist von Pestalozzis Erziehungswesen ein= zudringen.

Auf einem Spaziergange unter Blüthenbäumen, längs dem rauschenden Waffer, schilderte mir der würdige Seelsorger sein häusliches Glück mit den leb haftesten Farben. Gattin und Kinder sind ihm die Welt. Im Lobe der erstern war er unerschöpflich. Eben so feurig und begeistert malte mir das moralische Bild seiner treuen Lebensgefährtin einst Wie= land in den Schattengängen an der Ilm.

Nur zu bald mußten wir das ländliche Sorgen= frey von Ober-Lenningen verlassen, weil Neuffer sich zu einer Leichenrede für den folgenden Tag anzuschicken hatte. Ich überzeugte mich bey dieser Gelegenheit aufs Neue, daß ihm ein Ehrenplaß unter den Kanzelrednern unsrer Tage von Rechtswegen zu= komme. Durch Klarheit, Kraft und Wärme müfsen seine Vorträge jeden empfänglichen Hörer an Geist und Herzen erleuchten, stärken und veredeln.

At church, with meek and unaffected grace,
His looks adorn'd the venerable place,

Truth from his lips prevail'd with double sway,
And fools, who came to scoff, remain'd to pray.

GOLDSMITH.

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