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denen es dem Nichtwissenden sicherlich dunkel vor den Augen wird dem 'Germanisten' auch. Dafs den wesentlichsten Unterschied zwischen Nibelungenstrophe und Hildebrandston der Ausgang der ungeraden Vershälften bildet, vergifst der Verfasser mitzuteilen. Auf sprachlichem Gebiet begegnen böse Mifsverständnisse. Durchweg verwechselt E. Germanisch und Deutsch: 'die Geschichte der deutschen Sprache beginnt mit dem vierten Jahrhundert, mit der gotischen Bibelübersetzung' (S. 10). Auf S. 28 wird man belehrt, dafs es eine einheitliche althochdeutsche Sprache für ganz Deutschland zu keiner Zeit gegeben hat, vielmehr sich mindestens drei Hauptmundarten für die hochdeutschen Denkmäler vor 1050 unterscheiden lassen: das Rheinfränkische, das Hochfränkische, das Niederfränkische, so dafs man für die Sprache der ältesten deutschen Sprachdenkmäler zutreffender die Bezeichnung Altfränkisch wählen könne. Alemannisch und Bayerisch sind also vollkommen ausgeschaltet! An Ausfall ganzer Zeilen möchte man auf S. 11 glauben, wo von der Lautverschiebung die Rede ist. Danach vollzog sich die zweite Verschiebung im 13. Jahrhundert, sie umfasste auch den Wandel der Vokale i (so!), û, iu in ei au eu, der Konsonantgruppen sk sm sn zu sch schm schn usw. Sehr naiv klingt daneben die Bemerkung des Verfassers: Näheres hierüber lehrt jede eingehende Geschichte oder Grammatik des Deutschen'; und nicht unerwähnt bleibe, dafs II, 1163 als lesen werteste Bücher zur Geschichte der deutschen Sprache Jakob Grimm (was wohl?) und 'Die deutsche Sprache' von Otto Behaghel (nicht Behagel!) empfohlen werden! Ob der Verfasser sie gelesen hat? Er rühmt einmal Erich Schmidt nach, dafs er nur niederschreibe, was er genau weifs, und für Hettners Darstellungsform erfindet er den Ausdruck bescheidene Literaturgeschichte'. Ja. Hettner und Erich Schmidt, das sind Männer, von denen man lernen kann! H. Löschhorn.

Aus deutschen Lesebüchern. Epische, lyrische und dramatische Dichtungen erläutert für die Oberklassen der höheren Schulen und für das deutsche Haus. IV. Band. 1. Abteilung. Epische Dichtungen. Herausgegeben von Dr. O. Frick und Fr. Polack. 4. Auflage_unter Mitwirkung von Dr. G. Frick und Dr. P. Polack. Leipzig und Berlin, Th. Hofmann, 1906.

Einige Schulmänner haben sich vereinigt, um den Oberklassen höherer Schulen epische Dichtungen: Nibelungenlied, Gudrun, Parzival, a. Heinrich, Glückhaft Schiff, Klopstocks Messias, Heliand, Hermann und Dorothea (von W. Machold erklärt), den siebzigsten Geburtstag, Reineke Fuchs, Mörikes alten Turmhahn, verständlich und zu dauerndem geistigen Besitz zu machen. Sie gehen alle in gleicher Weise zu Werke, indem sie unter Anlehnung an Direktor Fricks Didaktischen Katechismus ihre Belehrungen auf vier Stufen verteilen: auf die Stufe der Vorbereitung, wo die Erregung einer fruchtbaren Erwartung im Schüler erweckt werden soll, die Stufe der unmittelbaren Darbietung, der Vertiefung (sagen wir: des Breittretens), der Verwertung. Als eine wirklich wissenschaftliche, gründliche Arbeit, deren Studium dem Lehrer zweifellos erspriefslich sein wird, ist O. Fricks Erläuterung des Messias zu bezeichnen; denn, wenn er auch niemals in die Lage kommen wird, selbst umfangreichere Abschnitte der Dichtung mit seinen Schülern zu lesen, so wird er hier über die Verwertung des Messiasepos in der Klasse und über die Behandlung Klopstocks überhaupt dankenswerte, gediegene Winke finden und sich mit Vergnügen einem so so kundigen Führer anvertrauen.

Der Lehrer! Denn dass diese Erläuterungen den oberen Klassen höherer Schulen und dem deutschen Hause dienen sollen, steht zwar auf dem Titelblatt, im Texte aber finden sich geradezu Anweisungen für die Lehrer, wie die methodischen Winke über die unterrichtliche Behandlung des Nibe

lungenliedes oder die Andeutungen zur Besprechung des Heliand. Und da ist es nun unendlich beschämend, zu sehen, wie niedrig der Standpunkt, das Wissen, die Fähigkeit eines Mannes eingeschätzt wird, dem ein Direktor die ehrenvolle Aufgabe erteilt, mit Sekundanern oder Primanern deutsche Dichtungen zu lesen, wie seine Unfähigkeit, aus eigener Lektüre, eigenem Studium eine Übersicht über den Inhalt einer epischen Dichtung, ein Urteil über ihren poetischen, geschichtlichen, moralischen Wert zu gewinnen, den Verfassern als selbstvertändliche Tatsache gilt, und wie diese Herren eifrig bemüht sind, durch Mitteilung dessen, was sie selbst zusammengetragen und zusammengestellt, der Trägheit oder der Unfähigkeit unter die Arme zu greifen! Ein Lehrer, der mit seinen Schülern Nibelungen oder Parzival lesen mufs, soll imstande sein, die Dichtung in der Ursprache zu geniessen; wenn nicht, sich wenigstens durch eine Übersetzung mit ihr vertraut machen. Einen geradezu verwerflichen Standpunkt verrät aber die Bemerkung S. 139: 'da der Parzival nicht jedem zur Hand ist, bringe ich in der nachfolgenden Inhaltsangabe die wichtigsten Stellen möglichst ausführlich.' Wer keinen Parzival zur Hand hat, kann ihn nicht lesen; wer ihn nicht lesen kann, vermag die Jungen nicht davon zu unterrichten. Das Surrogat Inhaltsangabe macht den Unseligen zum Heuchler; er muss vor den Schülern sich den Anschein geben, als schöpfe er aus dem Vollen und es ist doch alles nur dünnster Aufgufs. Ferner werden ihm einige zwanzig Personen des Nibelungen liedes nach ihrem Tun und ihrem Charakter geschildert. Das sind zum Teil Themen zu schriftlichen Arbeiten, die nach Abschluss der Lektüre angefertigt werden können, und dabei würde die Sammlung der bezüglichen Stellen eine nützliche Aufgabe für den Schüler sein. Der Lehrer hätte sich ihr natürlich zuallererst zu unterziehen, das Buch aber verleitet ihn zur Faulheit. Dieses Buch macht ihm auch die Schönheiten und Eigentümlichkeiten der Dichtungen bemerkbar und lehrt ihn, woran er nein, woran seine Schüler bei dieser oder jener Stelle denken sollen. Man höre: Der Traum Kriemhilds 'klingt an' an den Traum Josefs, der Frau des Pilatus, der Calpurnia am Morgen der Märziden, Nebukadnezars, Astyages'. Wie Jakob sieben Jahre um Rahel warb und diente, so warb Siegfried ein Jahr um Kriemhild. Wie Siegfried riet, die gefangenen Sachsen und Dänen ohne Lösegeld zu entlassen, so riet der Prophet Elisa dem Könige Israels, die gefangenen Syrer mit Speis' und Trank zu letzen. Wie Kriemhild Hagen feindlichen Grufs entbot und so den Kampf einleitete, so kündigte Napoleon III. durch einen Neujahrsgrufs 1859 an den österreichischen Gesandten den Kampf in Italien an. Die Helden wurden aus der Feuersnot gerettet wie die drei Jünglinge im Feuerofen. Auch der Anschauungskraft des phantasielosen Lehrers kommt das Buch zur Hilfe. Wie dankbar mufs er ihm sein, wenn er zur Vorbereitung auf den siebzigsten Geburtstag ein 'Lagebild' von der Wohnstube des redlichen Tamm, der Küche und des Hofes erhält, oder ein anderes Mal von des Pfarrers Studierstüblein im alten Turmhahn! Und das heifst: Vertiefung!

Doch wozu schreibe und schwatze ich! Autoren und Verleger lachen mich aus und deuten auf die Worte: vierte Auflage. Die erste erschien 1885, die vierte 1906. Das Buch wird also gekauft, es befriedigt Bedürfnisse, lobende Besprechungen liegen vor. Zum Teufel mit dem Idealismus. Hans Löschhorn.

Paul Stapfer, Etudes sur Goethe. (Goethe et Lessing Goethe et Schiller Werther Iphigénie en Tauride

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Hermann et Dorothée Faust). Paris, Librairie Armand Colin, 1907. 291 S. 3 Fr. 50.

Mit Stolz weist der Verfasser auf der letzten Seite darauf hin, dafs schon seit Goethes Lebzeiten der Name Stapfer mit der Einführung

Goethes in Frankreich verbunden ist, und dafs diesem seinem Vorfahren Goethe das berühmte Gedicht über den Reiz übersetzter Dichtungen ('so war mir, als ich wundersam mein Lied in fremder Sprache vernahm') widmete. Um so mehr dient die Schrift des Doyen honoraire de la Faculté des lettres de l'Université de Bordeaux zum Beweise, wie einer wirklichen Aneignung unseres gröfsten Dichters im Auslande auch heute noch fast unüberschreitbare Schranken gesetzt scheinen.

Stapfer tritt an unsere Dichtung mit ehrlichem Wohlwollen heran. Er fordert die Überwindung nationaler Revanchegedanken in der Literaturgeschichte und weifs den historischen Gründen für Lessings Ungerechtigkeit gegen das französische Drama (die ja heute niemand mehr bestreitet) gerecht zu werden. Er glaubt Schiller (S. 41) nach wie vor für genügend charakterisiert, wenn er ihn als Idealisten bezeichnet, und hält (S. 59) sogar an der Sage von der körperlichen Schönheit des grofsen Dichters fest. Er urteilt (S. 165) über die drei Einheiten sehr ruhig und treffend: sie hätten an sich wenig zu bedeuten, aber ihre Beobachtung ergebe einen eigenen Reiz. Er ist wohl ein unbedingter Verehrer des klassischen Theaters der Franzosen, vor allem (S. 110 u. ö.) des Racine, aber er erkennt die Fehler ihrer Tugenden willig an: zu viel Modernität bei antiken Stoffen (S. 105), zu viel Eleganz und Weichheit in der Charakterisierung, worin Shakespeare weit überlegen sei. Wir haben es also ganz gewils nicht mit einem literarischen Chauvinisten zu tun, es ist kein Zufall, dafs das Schibboleth der Dreyfussaffäre Stapfer nicht bei den Nationalisten Brunetière, Faguet, Lemaître traf, die im Grunde überhaupt nur die eigene Literatur gelten lassen, sondern im Lager der Gerechtigkeit. Auch ist der französische Protestant, wenn er auch bei Faust und Goethe (S. 241) die christliche Reue vermifst, weit entfernt davon, mit unseren Baumgartner und Pöllmann die ästhetische Bedeutung mit der religiösen Elle abzumessen. Aber er ist Franzose durch und durch auch in seinen ästhetischen Anschauungen, Franzose in einem national - beschränkten Sinn, den die Andler, Legras, Lichtenberger ganz und die Bossert und und Firmery doch vielfach überwunden haben. Er ist noch imstande, nicht nur Mézières' Leben Goethes, sondern sogar Dumas' Faustpamphlet zu zitieren; und, was schlimmer ist, er könnte gelegentlich für Mézières' trockene, enge Schulmeisterei und gar für Dumas (Alexander Dumas!) unerträgliche Sittenrichterei als Autorität zitiert werden!

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Das Interesse des Buches, das eigentlich Neues nicht bringt, liegt in diesen Schwächen. Wie aus den neuesten Aufserungen englischer Professoren über Goethe und über Byron, können wir aus diesem urfranzösischen Buch eines Halbfranzosen denn die deutsche Abstammung bleibt ja doch selbst in gewissen Feinheiten der stilistischen Würdigung (S. 210 f.) erkennbar die Grenzen erkennen, die eine national begrenzte Auffassungsfähigkeit dem Verständnis selbst eines der einfachsten' Dichtergenies entgegenstellt.

Es sind drei Punkte, in denen Stapfer Goethe absolut nicht zu begreifen vermag. Er glaubt nicht an die Echtheit seines Liebesempfindens, er spricht ihm alle Naivität ab, und er verurteilt alle Poesie Goethes, die nicht antikisch-französischen Regeln entspricht. 'Iphigenie' und 'Hermann und Dorothea' sind Meisterwerke, ja die Meisterwerke Goethes (S. 234); 'Faust' ist ein Werk ohne Plan und Logik, voller Widersprüche und Verwirrung selbst im ersten Teil (S. 163), im zweiten, wie alle Welt weifs (S. 248), nur ein kaltes, dunkles, von metaphysischen Gespenstern bevölkertes Labyrinth! (S. 248 gl. S. 63).

Schliefslich sind alle Rügen Stapfers auf eine Formel zu bringen. Er vermifst Einheit: Einheit in Goethes Leben (S. 64), in seiner Entwicklung, in seiner Dichtung - nur eben seine antikisierende Tragödie ausgenommen und das homerisierende Epos, dessen Architektur (S. 172) er höchsten Lobes

würdig findet. Denn nach gut französischer Art kennt er nur ein stabiles Gleichgewicht des Charakters, kein labiles: Einheit ist ihm Identität uns Kontinuität! Deshalb versteht er nicht, dafs des Dichters leidenschaftliches Herz von Flamme zu Flamme glühen kann unwürdig, verächtlich spricht er (S. 463) von den 'amourettes de Goethe', weil der Franzose eine einzige, das Leben ausfüllende 'liaison' fordert und der Held von 'Dichtung und Wahrheit' eben kein Chevalier des Grieux war. Deshalb vermifst er die innere Einheit in diesem Leben, das nach so frühem und so streng durchgeführtem Plan zur Pyramide sich aufbaute; der Wechsel der Kostüme verdeckt ihm eine innere Einheit, die freilich in der stets gleichen Propheten pose V. Hugos leichter falsbar ist. Deshalb ist ihm der freieste Dichtergeist kein Weltdichter, sondern der letzte der Alexandriner! (S. 69. 139), 'denn er begreift 'Naivität' (S. 142. 253) nur als eine unveränderliche Unreife, nicht aber, wie gerade Goethe, der typische 'naive Dichter' Schillers sie besafs: als immer neue Frische. Und so kann er denn dem deutschen Dichter die Eigenschaft absprechen, die für unser Urteil gerade den französischen Poeten ganz wenige Ausnahmen, wie den heute so verachteten Béranger abgerechnet durchgängig fehlt: eben die Naivität, die Unbefangenheit, die Unmittelbarkeit. Freilich, wenn man Goethes Lebenswerk auf 'Iphigenie' und 'Hermann und Dorothea' zusammenstreicht, dann bleibt nicht viel mehr übrig als ein 'Alexandriner', der es mit der französischen Alexandrinerdichtung fast nur um des Schlusses von 'Iphigenie' willen (S. 119 f.) aufnehmen darf! Der Kritiker, der so fein zu charakterisieren weifs, wo er liebt und versteht, so in jener Besprechung des Griechendramas, so in der Nachzeichnung des Richters in dem idyllischen Epos (S. 158) und Dorotheens (S. 200) ist es noch derselbe, wenn er zwei-, dreimal dem Briefwechsel unserer beiden gröfsten Dichter über die wichtigsten Fragen der Asthetik 'lourdeur et puerilité' (S. 251) vorwirft? Der tüchtige Stilkritiker - ist das derselbe, der auf Grund einer auch bei uns jetzt gepflegten Abneigung gegen die biographische Methode (S. 258) Goethes eigene Zeugnisse über seine Konfessionen geringschätzig abtut und mit unerträglicher Schulmeisterei (S. 235) ihm seine falschen Grundsätze und schlechten Gewohnheiten vorwirft? Doch wohl. Auch hier ist Einheit, aber auch hier in jenem äufserlichen Sinn starrer Unveränderlichkeit. Sich mit und in dem Gegenstande seiner Studien zu entwickeln, ist ihm versagt; er kann nur Racines Grundsätze und Molières Gewohnheiten von dem deutschen Dichter fordern. Wir respektieren diese durch Tradition und Patriotismus gefestigte Energie des festgehaltenen Standpunktes; aber ein Vorbild nicht darf uns der Franke werden!'

Berlin.

Richard M. Meyer.

Beiträge zur Literaturgeschichte. Herausgeber: Hermann Graef. 1. bis 6. Heft. Leipzig, Verlag für Literatur, Kunst und Musik, 1906. Nach den ersten sechs Heften zu urteilen, verfolgen die Beiträge zur Literaturgeschichte den Zweck, in knapper Form 16 bis 49 Oktavseiten und ohne gelehrten Apparat deutsche und fremde Schriftsteller in ihrer Gesamttätigkeit oder auf einem ihrer Schaffensgebiete zu würdigen, das Verständnis einer Dichtung zu fördern, die Entwicklung einer literarischen Gattung oder den Verlauf einer belletristischen Strömung darzulegen. Zuweilen vereinigen sich in den kleinen Abhandlungen ernste Sachlichkeit und warme Begeisterung, so dafs sie trefflich geeignet sind, erzieherisch auf das Publikum einzuwirken; man mufs ihnen daher weite Verbreitung wünschen.

Heft 1 Schillers Romanzen in ihrem Gegensatz zu Goethes Balladen von Hermann Graef rechtfertigt den etwas preziösen Titel durch eine

scharfe Scheidung der Begriffe Ballade und Romanze; die Eigentümlichkeit jener wird am 'Edward', den schon Wilhelm Wackernagel als das schönste Beispiel seiner Art bezeichnete, die der Romanze an dem spanischen Don Alonso der Getreue dargelegt. Goethe war seiner ganzen Natur nach Balladendichter, Schiller mufste sich der Romanze zuwenden. Ein Schwerpunkt der Abhandlung liegt in der hohen Schätzung, die der Verfasser diesen Dichtungen Goethes und Schillers zuteil werden läfst, in der Beimessung eines ästhetisch wie sittlich bildenden Wertes für Jünglinge und Jungfrauen, auch in dem Proteste gegen eine verfrühte und ungeeignete Behandlung der Gedichte auf Schulen. 2: Jens Peter Jacobsen und seine Schule von Karl M. Brischar ist eine offenbar schnell hingeworfene, stilistisch wenig erfreuliche Skizze. Jacobsen, dessen vor dreifsig Jahren erschienenem Roman 'Marie Grubbe' von einem dänischen Literarhistoriker 1880 so gut wie alles, was man bisher unter Poesie verstanden hat', abgesprochen wurde, wird hier als Schilderer der 'zuckenden Menschenseele, die offen vor uns liegt,' gepriesen und als Anreger für manches strebende Talent gefeiert. Eine Analyse des Romans Niels Lyhne soll seine Eigenart vergegenwärtigen. Neben ihn treten, ohne ihre Persönlichkeit dem Führer zum Opfer zn bringen, Peter Nansen, Karin Michaelis, Laurits Brunn, Karl Larsen. Ein frischerer Hauch weht in 3: Immermanns Merlin und seine Beziehungen zu Richard Wagners 'Ring des Nibelungen' von Paul Kunad. Ohne den Hals zu brechen, stolpert man am Anfang über die köstliche Hyperbel: Alle Welt hallt wieder vom Ruhme des Goetheschen Faust; hunderte von Kommentatoren hängen gleich Blutegeln an jeder Pose seines Körpers. Dann aber erfreut man sich an der ehrlichen Begeisterung für Immermanns vergessene Dichtung. Zwei ihrer Gestalten, Satan und sein Sohn Merlin, werden kurz charakterisiert, eine dritte, Klingsor, wird mit dem Wotan in Wagners Ring in Parallele gestellt. 4: Theodor Storm als Lyriker von Karl Ernst Knodt. Dem Verfasser, der sich auf dem Titel anderer Werke (Fontes Melusinae, Aus meiner Waldecke) als Waldpfarrer bezeichnet, führen Liebe, Verehrung, Dankbarkeit die Feder. Er lebt in Storm, er ist tief in ihn eingedrungen und ringt, wo er nicht mit ihm empfinden kann, bis er ihn verstanden hat und ihm durch solches Verständnis gerecht zu werden vermag. Mit einem feinen Blick für das religiös anders schlagende Dichterherz, für eine Skepsis, die doch nicht fern ist vom Glauben, verbindet der süddeutsche Pfarrer ein offenes Ohr für das Klangvolle der latenten Musik, die durch alle Verse Storms hindurchtönt'. Er gedenkt der vaterländischen Lieder Storms, seiner starken sittlichen Kraft, wie sie sich in der Auffassung der Ehe, der Familie, des Kindes kundtut. Leider gestattet die Begrenzung des Raumes dem Verfasser nicht, tiefer auf den Gegenstand einzugehen; aber Knodts Ausführungen haben eine zwingende Kraft: man muls seinen Storm aufschlagen und die erwähnten Lieder nachlesen, die alten, lieben Lieder! - 5: Heinrich Heine von Hermann Graef (2. Auflage) stellt die geistige Entwicklung des Dichters dar und behandelt sein Schaffen ruhig und klar. Der anspruchslose Aufsatz ist gerade heute mit Freude zu begrüfsen, wo viele Leute nervös werden, wenn jemand nicht in das Geheul unbegrenzter Bewunderung für Heine einstimmt und neben vielem Lichte den starken Schatten bemerkt, und darum wünschen wir gerade diesem Heft zahlreiche Leser. 6: Das deutsche Drama, seine Entwicklung und sein gegenwärtiger Stand von Ernst von Wildenbruch. Gern hätten wir dem Verfasser die ersten Seiten erlassen: die Anpreisung des historischen Dramas als des 'eigentlichen', die nicht neue Behauptung, dafs die dramatische Poesie der Kulturvölker sich immer parallel zu deren geschichtlicher Entwicklung bewege, die Klage über den Mangel an dramatischer Begabung bei den Germanen, den Vergleich zwischen dem Wesen hellenischer und germanischer Gottheiten. In wenige

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