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I.

Die Berliner Gesellschaft für das Studium der neueren Sprachen ist die älteste ihrer Art.

Ludwig Herrig, nach dem sie noch jetzt oft die Herrigsche genannt wird, hat das große Verdienst, sie 1857 gegründet zu haben. Romanische Wissenschaft und Anglistik standen. damals noch im Jugendalter, während die deutsche Philologie weiter entwickelt war. Herrig war öfter in kleineren Vereinigungen mit einigen 'Strebegenossen', wie er sagt, zusammengekommen, und mit ihnen beschloß er am 26. Oktober 1857 die Gründung unserer Gesellschaft. Der Tag ist von Hugo Bieling (Archiv 112, 149) als Stiftungstag festgestellt; die früher bei der Aufnahme der Mitglieder erteilten Diplome enthalten die Notiz: Gegründet zu Berlin am 26. Oktober 1857'.

Näheres verliert sich, wie alle Anfänge der Geschichte, im Dunkel der Sage.

Als Stifter sind außer Herrig wohl zu nennen die übrigen Mitglieder des ersten Vorstandes: Karl Gustaf Andresen, Georg Büchmann, Heinrich Proehle, Ernst Adolf Arnold Sachse, dazu auch Richard Gosche, jedenfalls Karl August Friedrich Mahn und Herr Karl Sachs.

Die erste ordentliche Sitzung fand am 1. Dezember 1857 statt. Den ersten Vortrag 'Ueber eine Encyclopädie der neueren Sprachen' hielt unser Senior, der einzige unter uns, der zugleich mit unserem fünfzigjährigen Jubiläum auch das seinige als Mitglied feiert: Herr Karl Sachs (Brandenburg), der hochverdiente Lexikograph, seit 1882 korrespondierendes Mitglied.

Die Statuten, die in der ersten Sitzung genehmigt und 1860 wie 1886 revidiert wurden, bestimmen als Arbeitsgebiet 'die Grammatik, Geschichte und Literatur der neueren Sprachen', als Zweck die Förderung des Studiums derselben 'vom wissenschaftlichen und pädagogisch-didaktischen Standpunkte'.

Der Vorstand wird jährlich neu gewählt.

Die Bedingungen zur Aufnahme ordentlicher Mitglieder sind die Erwartung einer Förderung der Zwecke der Gesellschaft und zwei Drittel der Stimmen in geheimer Abstimmung.

Anträge auf Erteilung der Ehrenmitgliedschaft müssen von zehn Mitgliedern unterstützt sein und bedürfen zur Annahme dreier Viertel der Stimmen.

Die Gesellschaft ist eine Wintergesellschaft. Sie hält von der zweiten Hälfte des September bis zur ersten des Mai fünfzehn ordentliche Sitzungen ab, an die sich jedesmal ein gemeinschaftliches Abendessen anschließt, freundschaftliche Beziehungen und intimen Gedankenaustausch fördernd. Dem letzteren Zweck dient auch der jährliche Juni-Ausflug, der seit 1893 auf Herrn Eugène Pariselles Anregung stattfindet. Die Zahl der Sitzungen in den 50 verflossenen Jahren beläuft sich auf rund 750, die der Vorträge auf über 1700.

Die Zahl der ordentlichen Mitglieder betrug, nach Mushackes Schulkalender von 1870, bei der Gründung 14, 1870: 96. Wie die Listen erweisen, ging sie seit 1870 nur zweimal auf etwas unter 100 zurück und erreichte seitdem durchschnittlich 120. Das Maximum war 132 (1901 bis 1902), der gegenwärtige Stand ist 122. Im ganzen zählen wir für die 50 Jahre des Bestehens über 600 ordentliche Mitglieder, von denen über 230 sich durch Vorträge an der Arbeit der Gesellschaft beteiligten. Der Zahl nach fällt die eine Hälfte der Vorträge auf etwa 25 Mitglieder, die andere auf die übrigen rund 200.

Von den gegenwärtigen Mitgliedern hat etwa die Hälfte vorgetragen, was dem Gesamtverhältnis von Vortragenden zur Mitgliederzahl gegenüber einen entschiedenen Fortschritt bedeutet.

Unsere Sitzungsberichte sind bekanntlich in dem Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen enthalten, in dem viele der Vorträge auch im Wortlaut abgedruckt sind. Von Herrig 1846 mit Heinrich Viehoff gegründet und mit Robert Hiecke weitergeführt, wurde es 1858 unter Herrigs alleiniger Leitung zum Organ unserer Gesellschaft erhoben. Der Firma George Westermann in Braunschweig, Herrigs Geburtsstadt, sei hier unser besonderer Dank ausgesprochen für die Treue, mit der sie die Herausgabe besorgte.

Sie feiert ihr Jubiläum mit uns. Wir hoffen, daß sie uns auch ferner treu bleiben wird.

Mit berechtigtem Stolz sagte Herrig in seiner Festrede vor 25 Jahren von seinem Archiv: Es war dies die erste Zeitschrift, welche sich ausschließlich dem Sprachstudium der neueren Kulturvölker widmete, welche den Beweis zu führen suchte, daß dieses Studium, auf die rechte Weise betrieben. wahrhaftes Humanitätsstudium sei, und daß in ihm eine reiche Quelle echt menschlicher Bildung fließe; eine besondere Aufgabe war es dann noch, auf Betreibung eines geist- und herzbildenden Unterrichts in den modernen Sprachen hinzuwirken.'

Wie herrlich ist diese Saat aufgegangen! Wie ist die Bedeutung und das Ansehen des Studiums der neueren Sprachen gewachsen! Wie viele Zeitschriften sind seitdem entstanden auf unserem Gebiete! Welch schöne Zukunft ist dem Archiv erblüht unter Herrigs Nachfolgern in der Schriftleitung: unter Herrn Hans Löschhorn, unter Julius Zupitza und Stephan Waetzoldt, unter den Herren Adolf Tobler, Alois Brandl und Heinrich Morf!

Viele neuphilologische Vereine sind dem unsrigen gefolgt. Herrig konnte schon 1882 mit Genugtuung verkünden, daß in Dresden und Hannover Schwestergesellschaften nach unserem Vorbilde ins Leben gerufen waren. Wie viele von den später in Deutschland und im Auslande gegründeten Vereinen sonst noch durch uns beeinflußt wurden, entzieht sich unserer Kenntnis; doch ist ein starker Einfluß wahrscheinlich, da vor kurzem noch aus Italien ein Exemplar unserer Statuten als Muster erbeten wurde.

Das Wachsen und die Tätigkeit unserer Gesellschaft in ihrem ersten halben Jahrhundert mag aus den folgenden Gedenkblättern ersehen werden, auch wenn sie nicht in das einzelne. eindringen können.

II.

Wir gedenken zunächst unserer Verstorbenen.

Ludwig Herrig hatte den Vorsitz länger als einunddreißig Jahre bis zu seinem Tode 1889 inne. Ohne neuphilologische

Fachstudien auf der Universität betrieben zu haben, galt er, wie Immanuel Schmidt in seiner Biographie unseres Stifters (Archiv 75) sagt, in den fünfziger Jahren für weitere Kreise als der bedeutendste Vertreter des neueren Sprachstudiums', als die Verkörperung der noch jungen Wissenschaft, der er wie kaum ein anderer durch tätiges Zugreifen Anerkennung verschafft hat'. Er hatte den weiten Blick, die Lage zu erkennen, und besaß ein bedeutendes Organisationstalent. Er war zur Zeit der Gründung unserer Gesellschaft Professor am Friedrichs-Realgymnasium und wurde später Studiendirektor an der Hauptkadettenanstalt. Durch seine zahlreichen Verbindungen, die bis in die höchsten Kreise reichten er erfreute sich der besonderen Gunst Kaiser Friedrichs III. ད durch seine Stellung als Mitglied der Königlichen Wissenschaftlichen Prüfungskommission und als Direktor des von ihm gegründeten Instituts für die Ausbildung von Lehrern der neueren Sprachen, war es ihm möglich, die weitesten Kreise für die Gesellschaft zu interessieren: Direktoren und Kandidaten, Offiziere, Bankherren, Buchhändler, Baumeister und Privatgelehrte, besonders auch Franzosen und Engländer, mit denen der vielgereiste, vielgewandte, rede- und sprachbegabte Professor sich geläufig in ihrer Muttersprache unterhielt. Und doch waren dies nicht seine größten Vorzüge, denn man sang von ihm: Von allen Sprachen, die Dein Wissen lehrt,

Die Deines Herzens Dich am meisten ehrt.

Er war eine ethisch wirkende Persönlichkeit und wußte die Gesellschaft meisterlich zu leiten, die Mitglieder zu Vorträgen heranzuziehen, für Abwechslung zu sorgen und auch mit einem Scherz in eine kritisch zu werden drohende Debatte beruhigend einzugreifen.

Seine eigenen Vorträge umfaßten englische, französische und deutsche Grammatik und Literatur sowie Unterrichtsfragen. Es seien hervorgehoben die über Vaugelas, das Dictionnaire de l'Académie, die Unzulänglichkeit der Ausgaben Bossuets, über Edmund Spenser, Neithards Byron-Übersetzung und Taylors Thackeray. Vom Jahre 1870 an trug er selbst nicht mehr vor, abgesehen von der Festrede 1882. Einer Bestimmung Herrigs

zufolge soll diese Rede zwar nicht ganz abgedruckt werden, aber es ist uns erlaubt, einige Stellen anzuführen. Die folgende möge charakterisieren, in welcher Gesinnung Herrig die Gesellschaft gründete und leitete: 'Die gepflogene Gemeinschaft ist uns lieb und wert gewesen, ein sicheres Zeichen, daß der Gesellschaft ein lebensvoller gesunder Kern zugrunde liegen muß, den zu nähren ein inneres Bedürfnis uns antreibt. Der einzelne fühlt sich leicht schwach, anders, wenn einer im anderen sich wiederfindet, wenn ein gleicher Grundton die Gemüter verbindet, wenn eine gegenseitige Aufklärung die Aussicht erhellt. So gering auch die Gabe des einzelnen an sich vielleicht ist, wie das besondere Wissen und Tun auch nur ein geringes Zweiglein an dem ganzen und mächtigen Stamme der Sprachwissenschaft zu sein sich bescheiden mag, so liegt doch in der gemeinsamen Wirksamkeit der vereinten Kräfte eine oft überraschend schöpferische und auch ungemessene Gewalt. Die Mitglieder unserer Gesellschaft haben diese Spuren, dieses Geäder einer freien geistigen Bewegung und Entwicklung, den Geist der Einigung und seiner bildenden Kraft in ihrem Zusammenwirken mit ebenso heiteren wie ernsten Sinnen begrüßt und sich daran, ein jeder in seiner Weise und in seinem Berufe, auch für das Leben erquickt und gestärkt.' Am Schlusse prophezeite der Redner als guter Prophet der Gesellschaft eine lange segensreiche Zukunft, wenn sie die Bahn emsiger Arbeit nicht verlasse'.

Diese hat sie wahrlich bis heute nicht verlassen!

Wer hätte emsiger arbeiten können, innerhalb und außerhalb unserer Gesellschaft, als Herrigs Nachfolger im Vorsitz (1889 bis 1895), der zu früh heimgegangene Julius Zupitza, den Adolf Tobler in seinem warmen Nachrufe (Archiv 95, 1) den Unermüdlichen nannte! Unermüdlich im Durchsuchen englischer Bibliotheken, im Herausgeben dort gefundener zahlreicher altund mittelenglischer Handschriften (Napiers Nachruf, Archiv 95, 241), unermüdlich in ihrer Textkritik und Erklärung, in der Erforschung englischer Grammatik und Literatur, auch in der Verfolgung neuester literarischer Strömungen, sowie germanischer und romanischer Nachbargebiete (Max Roedigers Nachruf,

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