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von Montespan und von Thiange zu Zuhörern gehabt, so wäre er nicht so tief herabgestiegen. Aber er arbeitete für das noch rohe Pariser Volk. Der Bourgeois liebte die derbe Posse und bezahlte sie, und Molière mufste für seine Truppe sorgen. Die Jodelets waren in der Mode. Der Médecin malgré lui hat dem Misanthrope auf dem Theater durchgeholfen. Der Weise, der den Misanthrope für die gebildeten Geister schrieb, muss sich als Possenreifser verkleiden, um der Masse zu gefallen. Das gereicht wohl der menschlichen Natur zur Schande; aber so ist sie nun einmal. Man geht ins Lustspiel lieber, um zu lachen, als um etwas zu lernen. Immerhin hat Molière seine Schwänke schon durch ihren Titel vom eigentlichen Lustspiel unterschieden und hat so nicht Terenz und Tabarin durcheinander gebracht, und es sind Stücke, wie die Fourberies de Scapin, der Malade imaginaire, der denn doch auch Szenen einer höheren Komik enthält, nicht im burlesken Stil der Hanswurstspäfse Scarrons geschrieben, der die Argotausdrücke hervorsucht, was Molière nicht tut. Bei ihm ist das Possenhafte nur in der Sache, nicht in den Ausdrücken. Seit Molière hat sich das französische Theater übrigens strenger an die Regeln der feinen Sitte gebunden. Die Szene würde man nicht mehr riskieren, wo Tartuffe der Frau Orgons naherückt (la presse'), Ausdrücke wie fils de putain, carogne, tarte à la crême, les enfants faits par l'oreille, selbst cocu würden nicht mehr gewagt. In bezug auf die dramatische Technik erhebt Voitaire schon den oft gehörten Vorwurf, die Verwicklung sei nicht spannend genug, und die Lösung des Knotens sei die Klippe, an der er oft scheitere (eine Ausnahme bilde hier die École de maris), sowie den anderen, für das 18. Jahrhundert so bezeichnenden, Molière gebe dem Herzen nicht genug. Darum ist das Theater fast leer bei den Molièreschen Stücken, darum geht fast niemand mehr in den einst so zugkräftigen Tartuffe, während Racine das Haus füllt. Des Scherzes wird der Geist müde, das Herz ist unerschöpflich. Interessante Urteile über die einzelnen Stücke enthält die Vie de Molière. In bezug auf Stil und Sprache ist ihm der Misanthrope, an dem er bei aller Bewunderung manches auszusetzen hat, das beste Stück des Dichters. Die Art, wie er den Stoff von Don Juan bespricht, zeigt, wie ihm die Mischung der possenhaften und religiös mirakelhaften, der komischen und tragischen Elemente in der Seele zuwider ist. Tartuffe, die kräftigste und feinste Predigt in unserer Sprache, wird dauern, solange es in Frankreich Geschmack und solange es Heuchler gibt. Ib. Journ. D.: Bouffon. 2 Mol. Journ.

Stuttgart.

(Schlufs folgt.)

P. Sakmann.

Die romanische Schweiz

und die Mundartenforschung.'

Ein Blick auf die Karte der Schweiz läfst ohne weiteres die grofse Verschiedenheit in der Lagerung des deutschen und des romanischen Sprachgebietes erkennen.

Das deutsche Gebiet ist von kleinen bündnerischen Sprachinseln abgesehen eine zusammenhängende Landschaft von Basel bis Chur, vom Bodensee bis zum Oberwallis. Das romanische Gebiet zerfällt in drei fast gänzlich unzusammenhängende Teile: einen französischen Westen, einen italienischen Süden und einen rätischen Osten.

Damit nicht genug. Der französische Westen, die Suisse romande, ist selbst keineswegs einheitlich: der Berner Jura gehört sprachlich zum nordfranzösischen (lothringisch- wallonischen) Gebiet. Das Land südlich vom Chasseral gravitiert linguistisch nach Südfrankreich und gehört zu jenem Sprachgelände, das wir francoprovenzalisch nennen.

Und innerhalb dieser Verteilung des romanischen Gebietes besteht eine ungewöhnlich starke mundartliche Gliederung. Ein Tavetscher Bauer wird den Engadiner kaum verstehen; der Waadtländer kann sich nicht mit dem Walliser in seiner Mundart verständigen; ja, im Wallis wird sogar der Hirt aus der Gemeinde Bagnes nur schwer mit dem Hirten des Tales von Hérémence reden können.

Diese starke Gliederung und die daraus folgende Schwerverständlichkeit befördert natürlich das Vordringen der Schriftsprache als Verständigungsmittel: im Westen der französischen, im Osten der deutschen.

Am

Im Osten und Westen sind die Mundarten gefährdet. kräftigsten ist ihr Leben noch im tessinischen Süden, wo, trotz der Gotthardbahn und der neuen elektrischen Bahnen der Valmaggia und des Misox, der mächtige lombardische Dialekt einen starken Rückhalt schafft.

Vortrag, gehalten in der dritten allgemeinen Sitzung der 49. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner zu Basel am 27. September 1907.

In das alte Helvetien, dessen keltisch-rätische Bevölkerung durch eine fünfhundertjährige Römerherrschaft romanisiert worden war, brachen von Norden die Alemannen ein. Sie unterwarfen sich das Land zwischen Aare und Limmat. Es trieb diese alemannische Eroberung ums Jahr 500 einen germanischen Keil zwischen den gallorömischen Westen und den rätorömischen Osten des Landes.

Aber noch ums Jahr 900 war diese Germanisierung südlich nicht über die Alpen und östlich kaum bis zum Rhein und Bodensee vorgedrungen: das Wallis, das Urserental, Graubünden waren noch ganz romanisch; ebenso die östlichen Voralpen, das Glarnerund St. Gallerland trotz des Klosters und auch Vorarlberg.

Im Laufe des folgenden Jahrtausends ist dann dieser alemannische Keil noch tiefer ins romanische Land gedrungen. Wanderlustiges deutsches Volk ist aus dem Haslital über die Grimsel nach dem Oberwallis gezogen. Diese Walser haben dann auch weiter vor dem Hochgebirge nicht haltgemacht und sind über den Montemoro ins Anzasca- und Gressoneytal und über den Griespafs ins Formazzatal und nach Bosco gekommen. Über die Furka zogen sie nach Urseren, nach Graubünden und bis ins Vorarlberg hinein, manche deutsche Ansiedelung in den rätoromanischen Hochtälern des rheinischen Oberlandes zurücklassend. So wurden die Hasler und Walser zu tatkräftigen Pionieren des Deutschtums an der Südmark.

Inzwischen wurde das nördliche rätische Land, Glarus, St. Gallen, alemannisiert, und heute sind von dem einst so weiten rätoromanischen Gebiet, das sich vom Bodensee bis zum Gotthard und bis zum Ortler ununterbrochen ausdehnte, nur noch Trümmer vorhanden, die einem nahen Untergang geweiht sind. Es ist ein schmaler Streifen Landes von den Quellen des Rheins bis zum Unterengadin, der schon stark von deutschem Sprachtum durchsetzt ist. Das Rätoromanische ist auf der ganzen Linie im Schwinden begriffen. In hundert Jahren wird die Jugend Graubündens nicht mehr rätisch sprechen.

Auch im Westen hat das Alemannische seine Grenzen von der Aare weg auf früher französisches Gebiet vorgeschoben, so dass, sub specie saeculorum betrachtet, die deutsche Sprache in der Schweiz seit Jahrhunderten im Vorschreiten begriffen ist, wenn auch an der westlichen Sprachgrenze den Vorstöfsen des Deutschen gelegentliche Rückstöfse des Französischen gefolgt sind, die mit den grofsen Epochen der Schweizer Geschichte zusammenhängen, und wenn auch insbesondere die Verhältnisse des 19. Jahrhunderts der französischen Sprache günstig gewesen sind. Es ist ein Glück für die Schweiz, dafs dieses romanisch-deutsche Hin und Her dem freien, friedlichen Spiele der nationalen Kräfte überlassen blieb, und man darf hoffen, dafs es den Aufreizungen ängstlicher, unbesonnener und schlecht

unterrichteter Wortführer nicht gelingen wird, in dem Lande einen Sprachenstreit zu entfachen.1

Im französischen Westen ist nicht wie im rätischen Osten die romanische Sprache selbst gefährdet, sondern nur ihre Mundarten. Lebendige Umgangssprache sind die Patois nur noch in katholischen Landesteilen und bäuerlichen Gegenden: in einem Teil des Berner Jura, im Kanton Freiburg und besonders im Wallis. In den protestantischen Kantonen und in industriellen Gegenden, im Lande der Uhren und Musikdosen, ist das Patois im Aussterben, nicht nur in den Städten, sondern auch auf den Dörfern. Ganze Landstriche mit vielen Tausenden von Einwohnern weisen nur noch einige alte gebrechliche Leute auf, die wirklich das Patois beherrschen, die aber in ihrer Umgebung niemanden mehr haben, mit dem sie es reden. könnten. Man kann sagen, dafs im ganzen Kanton Neuenburg heute niemand mehr Patois spricht, wenn auch einige Greise sich ihrer Jugendsprache noch erinnern. Und der Tod räumt stark unter ihnen auf. Es ist für die Forschung äusserste Gefahr im Verzug. Am Nordufer des Genfersees und im waadtländischen Rhonetal ist die Mundart seit einem halben Jahrhundert verstummt. Im Gros de Vaud und in den Alpen fängt es an, selten zu sein. In den Wallisertälern aber finden heute noch Gemeinderatsverhandlungen im Patois statt, wie in der deutschen Schweiz. Da mag die Mundart noch ein Jahrhundert leben.2

Alle diese stark differenzierten Mundarten des Ostens, Südens und Westens sind kostbarstes linguistisches Gut, und nicht leicht wird sich ein Erdenwinkel finden, der auf so engem Raume so viel eigenartigen Sprachreichtum trägt und für den Forscher so viel Erkenntnis des Sprachlebens bereithält.3

Wie viel Licht ist der romanischen Philologie aus den rätischen Mundarten erwachsen, als vor bald vierzig Jahren Ascoli seine Saggi ladini schrieb, deren Probleme seither durch Salvionis Forschungen neue, ausgedehntere Formulierung und weitere Aufhellung erfahren haben. Und welch kostbare Beiträge zur Sprachgeschichte sind schon seit Jahrzenten aus dem Studium der westschweizerischen Patois hervorgegangen. Man denke an die grundlegenden Arbeiten.

1 Vgl. H. Morf, Deutsche und Romanen in der Schweiz. Zürich, 1901. 2 Vgl. E. Tappolet, Über den Stand der Mundarten in der deutschen und französischen Schweiz. Zürich, 1901 und ders., Die Sprachverhältnisse in der französischen Schweiz im Sonntagsblatt der Basler Nachrichten vom 3. März 1907. Eine systematische, zwar kurze aber vortreffliche Darstellung des Sprachlebeus der Suisse romande gibt L. Gauchat im Dictionnaire géographique de la Suisse, Neuchâtel, Attinger, 1907 (Langue et patois de la Suisse romande); cf. hier, p. 267.

Wer auf Gilliérons Atlas ling. de la France den Verlauf der Dinge in der Westschweiz verfolgt, der kann häufig genug beobachten, wie das Wortmaterial dieser kleinen Sprachecke sich durch besondere Ableitungen oder neue Stämme von der französischen Nachbarschaft abhebt.

Archiv f. n. Sprachen. CXIX.

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Cornus und Gilliérons über die Mundarten der Waadt und des Wallis und an neuere Studien zur Frage der Dialektgrenzen. Die Schweiz bietet die eklatantesten Beispiele dafür, wie die höchsten Berge keine Sprachgrenzen bilden, während anderseits auf dem flachen Lande zwei benachbarte Dörfer, die durch eine Landstrafse verbunden sind, eine förmliche Mundartengrenze zwischen sich haben und zwei grundverschiedene Patois reden. Wie reich an Aufklärung sind hierzu die Arbeiten von Gauchat und Tappolet (cf. Archiv CXI, 365 ff; CXV 460). Wie gut zeigt die Dialektgliederung der romanischen Schweiz die Wichtigkeit der alten Bistumsgrenzen. auch die konfessionelle Mischung der Schweiz illustriert trefflich die Bedeutung des kirchlichen Elementes in der Sprachentwicklung durch die vorhandenen konfessionellen Mundartgrenzen oder durch das Nebeneinanderbestehen konfessioneller Lautvarietäten in den nämlichen Ortschaften.

Und

Eigenart und Reichtum der Laute dieser Dialekte erweitern den Blick des Phonetikers. Sicher wäre z. B. viel neue Erkenntnis zu gewinnen aus dem vergleichenden Studium jener merkwürdigen. Erscheinung, die darin besteht, dafs nach dem Tonvokal ein stimmhafter oder stimmloser Verschlufslaut eingeschoben wird. (lat. duru, dura > dykr, dykra; dyk, dygra; dybr, dybra), einer Erscheinung, die sich in den Wallisertälern, in Aosta, in Bergün, Oberhalbstein und Oberengadin findet und vielleicht auch im Tessin zu entdecken ist, so dafs sie einen charakteristischen Zug der romanischen Alpensprache bedeutete. Hier liegt überdies ein schönes Thema für instrumentale phonetische Untersuchung bereit.

Die Phonetik der Mundarten führt den Forscher auch sicherer auf den Pfaden der Etymologie. Lauterscheinungen, die bisher als selten und seltsam gegolten haben, weil sie in den Schriftspra chen nur isoliert vorkamen, erhalten durch die Mundart gute Gesellschaft, und mancher lautliche Findling wird auf diese Weise in einen lebensvollen Verband gefügt. Durch die Zusammenstellung der Patoisformen eines Lautvorganges wird das Gebiet des etymologisch Möglichen schärfer begrenzt, und oft wirft diese blofse Zusammenstellung ein helles Licht auf die Ursprungsfrage. Ich bin überzeugt, dass z. B. das Problem des galloromanischen Wandels von lat. u zu y den man mit Unrecht für uralt, ja für keltisch hält aus den Lautverhältnissen der romanischen Schweiz entscheidende Aufklärung erfahren wird.

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Aber auch Probleme von weiterer Bedeutung, wie z. B. die Frage des romanischen Umlautes, der Vokalharmonie, der Nasalierung, der Mouillierung etc. und vor allem die Prinzipienfrage von Lautgesetz und Analogie erhalten ihre sicherste Aufklärung durch die Beobachtung der lebenden Mundart. Man denke an Gauchats Arbeit über die Lautvorgänge in Charmey (cf. Archiv CXV, 443) und Jabergs Studie über die Konjugation in und um Leysin (CXIX, 239).

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