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so etwas Geläufiges, daß sie auch nicht daran erinnert zu werden brauchen? Oder ist Ausdruck mehr als Schönheit? Und sind wir auch in Gemälden schon gewohnt, so wie auf der Bühne, die häßlichste Schauspielerin für eine entzückende Prinzessin gelten zu lassen, wenn ihr Prinz nur recht warme Liebe gegen 5 sie zu empfinden äußert?

In Wahrheit: das Gemälde des Caylus würde sich gegen das Gemälde des Zeuxis wie Pantomime zur erhabensten Poesie verhalten.

Homer ward vor alters ohnstreitig fleißiger gelesen als 10 izt. Dennoch findet man so gar vieler Gemälde nicht erwähnet, welche die alten Künstler aus ihm gezogen hätten*. Nur den Fingerzeig des Dichters auf besondere körperliche Schönheiten scheinen sie fleißig genuht zu haben; diese malten sie; und in diesen Gegenständen, fühlten sie wohl, war es ihnen allein ver- 15 gönnet, mit dem Dichter wetteifern zu wollen. Außer der Helena hatte Zeuxis auch die Penelope gemalt; und des Apelles Diana war die Homerische in Begleitung ihrer Nymphen. Bei dieser Gelegenheit will ich erinnern, daß die Stelle des Plinius, in welcher von der lehtern die Rede ist, einer Verbesse- 20 rung bedarf**. Handlungen aber aus dem Homer zu malen, bloß

* Fabricii biblioth. Graec. lib. II. cap. 6. p. 345. ** Plinius sagt von dem Apelles (Libr. XXXV. sect. 36. p. 698. Edit. Hard.2): ,,Fecit et Dianam sacrificantium virginum choro mixtam: quibus vicisse Homeri versus videtur id ipsum describentis 3." Nichts kann 25 wahrer als dieser Lobspruch gewesen sein. Schöne Nymphen um eine schöne Göttin her, die mit der ganzen majestätischen Stirne über sie hervorragt, sind freilich ein Vorwurf, der der Malerei angemessener ist als der Poesie. Das sacrificantium nur ist mir höchst verdächtig. Was macht die Göttin unter opfernden Jungfrauen? Und ist dieses die Beschäftigung, die Homer 30 den Gespielinnen der Diana gibt? Mitnichten; sie durchstreifen mit ihr Berge und Wälder, sie jagen, sie spielen, sie tanzen (Odyss. v. 102-106.):

Οἱη δ ̓ ̓Αρτεμις εἰσι κατ' οὐρεος ἰοχεαιρα
Ἡ κατα Τηϋγετον περιμηκετον Ἐρυμανθον
Τερπομενη καπροισι και ὠκειῃς ἐλαφοισι·

1 Vgl. S. 43 dieses Bandes, Anm. 1. 2 Vgl. S. 26 dieses Bandes, Anm. 2. 3 „Er malte auch Diana unter einem Chore opfernder Jungfrauen: wodurch er über hen Homer triumphiert zu haben scheint, der dasselbe beschreibt."

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weil sie eine reiche Komposition, vorzügliche Kontraste, künstliche Beleuchtungen darbieten, schien der alten Artisten ihr Geschmack nicht zu sein; und konnte es nicht sein, solange sich noch

Τη δε θ ̓ ἅμα Νυμφαι, κουραι Διος Αἰγιοχοιο,
Αγρονομοι παιζουσι1·

Plinius wird also nicht sacrificantium2, er wird venantium3 oder etwas ähn= liches geschrieben haben; vielleicht sylvis vagantium4, welche Verbesserung die Anzahl der veränderten Buchstaben ohngefähr hätte. Dem παιζουσι beim Homer würde saltantium am nächsten kommen, und auch Virgil läßt in seiner 10 Nachahmung dieser Stelle die Diana mit ihren Nymphen tanzen (Aeneid. I. ν. 497. 498.):

Qualis in Eurotae ripis, aut per juga Cynthi
Exercet Diana choros 5

Spences hat hierbei einen seltsamen Einfall (,,Polymetis", Dial. VIII. p. 102.): 15,This Diana", sagt er, „both in the picture and in the descriptions, was the Diana Venatrix, tho' she was not represented either by Virgil or Apelles or Homer as hunting with her Nymphs; but as employed with them in that sort of dances, which of old were regarded as very solemn acts of devotion"." In einer Anmerkung fügt er hinzu: „The ex

20 pression of παιζειν, used by Homer on this occasion, is scarce proper for hunting; as that of choros exercere in Virgil, should be understood of the religious dances of old, because dancing, in the old Roman idea of it, was indecent even for men, in public; unless it were the sort of dances used in honour of Mars, or Bacchus, or some other 25 of their godss." Spence will nämlich jene feierliche Tänze verstanden wissen,

1 „So wie Artemis herrlich einhergeht, froh des Geschosses,
Über Taygetos' Höhn und das Waldgebirg' Erymanthos,
Und sich ergözt, Waldeber und flüchtige Hirsche zu jagen;
Und es umtanzen sie spielend die flurbewohnenden Nymphen,
Töchter des Ügiserschütterers Zeus";

2 Opfernden. 3 Jagenden.

4,In den Wäldern umherstreifenden."

5,Wie an Eurotas' Gestad' und wie auf den Höhen des Cynthus

Artemis führet den Reih'n'

6 Vgl. S. 71 dieses Bandes, 3. 17. 7 „Diese Diana, sowohl im Gemälde als in den Beschreibungen, war die Jägerin Diana, ob sie gleich weder bei Virgil noch bei Apelles oder Homer als mit ihren Nymphen jagend dargestellt wurde, sondern als mit ihnen mit jener Art von Tänzen beschäftigt, welche von den Alten als sehr feierliche Handlungen der Andacht angesehen wurden." 8 „Der Ausdruck παίζειν [spielen], der bei dieser Gelegenheit von Homer gebraucht wird, ist kaum dem Begriff des Jagens angemessen, wie jenes choros exercere [Reihentänze anstellen] des Virgil von den religiösen Tänzen der Alten verstanden werden muß, weil das Tanzen nach der Ansicht der alten Römer selbst für Männer unanständig war, wenn es öffentlich geschah, es müßte denn die Art von Tänzen gewesen sein, welche zu Ehren des Mars oder Bacchus oder irgendeiner andern Gottheit im Gebrauch waren."

die Kunst in den engern Grenzen ihrer höchsten Bestimmung hielt. Sie nährten sich dafür mit dem Geiste des Dichters; sie füllten ihre Einbildungskraft mit seinen erhabensten Zügen; das Feuer seines Enthusiasmus entflammte den ihrigen; sie sahen und empfanden wie er: und so wurden ihre Werke Abdrücke der 5 Homerischen, nicht in dem Verhältnisse eines Porträts zu seinem Originale, sondern in dem Verhältnisse eines Sohnes zu seinem Vater; ähnlich, aber verschieden. Die Ähnlichkeit liegt öfters nur in einem einzigen Zuge; die übrigen alle haben unter sich nichts Gleiches, als daß sie mit dem ähnlichen Zuge in dem einen 10 sowohl als in dem andern harmonieren.

Da übrigens die Homerischen Meisterstücke der Poesie älter waren als irgendein Meisterstück der Kunst; da Homer die Natur eher mit einem malerischen Auge betrachtet hatte als ein Phidias und Apelles: so ist es nicht zu verwundern, daß 15

welche bei den Alten mit unter die gottesdienstlichen Handlungen gerechnet
wurden. Und daher, meinet er, brauche denn auch Plinius das Wort sacri-
ficare: „It is in consequence of this that Pliny, in speaking of Diana's
Nymphs on this very occasion, uses the word sacrificare of them;
which quite determines these dances of theirs to have been of the 20
religious kind1." Er vergißt, daß bei dem Virgil die Diana selbst mit tanzet:
exercet Diana choros 2. Sollte nun dieser Tanz ein gottesdienstlicher Tanz
sein: zu wessen Verehrung tanzte ihn die Diana? Zu ihrer eignen? Oder zur
Verehrung einer andern Gottheit? Beides ist widersinnig. Und wenn die
alten Römer das Tanzen überhaupt einer ernsthaften Person nicht für sehr an= 25
ständig hielten, mußten darum ihre Dichter die Gravität ihres Volkes auch in
die Sitten der Götter übertragen, die von den ältern griechischen Dichtern ganz
anders festgeseket waren? Wenn Horaz von der Venus sagt (Od. IV, lib. I):

Iam Cytherea choros ducit Venus, imminente luna:
Iunctaequae Nymphis Gratiae decentes

Alterno terram quatiunt pede 3

waren dieses auch heilige, gottesdienstliche Tänze? Ich verliere zu viele Worte über eine solche Grille.

1,Infolgedessen gebraucht Plinius, indem er von Dianas Nymphen spricht, gerade bei dieser Gelegenheit das Wort,opfern', welches ihre Tänze als religiöser Art genau kennzeichnet." 2 „Diana führt die Chöre an."

3

,,Schon führt Cytherea die Reihen bei Lunens heller Fackel,
Die Grazien, umfaßt von Nymphen, schlagen

Wechselnden Tritts voll Anmut den Boden"

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die Artisten verschiedene ihnen besonders nükliche Bemerkungen, ehe sie Zeit hatten, sie in der Natur selbst zu machen, schon bei dem Homer gemacht fanden, wo sie dieselben begierig ergriffen, um durch den Homer die Natur nachzuahmen. Phidias 5 bekannte, daß die Zeilen*:

Ή, και κυανεῃσιν ἐπ ̓ ὀφρυσι νευσε Κρονίων·
̓Αμβροσιαι δ ̓ ἀρα χαιται ἐπεῤῥωσαντο ἀνακτος,
Κρατος ἀπ ̓ ἀθανατοιο· μεγαν δ ̓ ἐλελιξεν Ολυμπον1·

ihm bei seinem Olympischen Jupiter zum Vorbilde gedienet, 10 und daß ihm nur durch ihre Hülfe ein göttliches Antliß, propemodum ex ipso coelo petitum 2, gelungen sei. Wem dieses nichts mehr gesagt heißt, als daß die Phantasie des Künstlers durch das erhabene Bild des Dichters befeuert und ebenso erhabener Vorstellungen fähig gemacht worden, der, dünkt mich, übersieht 15 das Wesentlichste und begnügt sich mit etwas ganz lgemeinem, wo sich, zu einer weit gründlichern Befriedigung, etwas sehr Spezielles angeben läßt. Soviel ich urteile, bekannte Phidias zugleich, daß er in dieser Stelle zuerst bemerkt habe, wieviel Ausdruck in den Augenbraunen liege, quanta pars animi3" ** sich 20 in ihnen zeige. Vielleicht, daß sie ihn auch auf das Haar mehr Fleiß zu wenden bewegte, um das einigermaßen auszudrücken, was Homer ambrosisches Haar nennet. Denn es ist gewiß, daß die alten Künstler vor dem Phidias das Sprechende und Bedeutende der Mienen wenig verstanden und besonders das 25 Haar sehr vernachlässiget hatten. Noch Myron war in beiden Stücken tadelhaft, wie Plinius anmerkt***, und nach ebendemselben war Pythagoras Leontinus1 der erste, der sich durch ein zierliches Haar hervortat*. Was Phidias aus dem Homer lernte, lernten die andern Künstler aus den Werken des Phidias.

* Iliad. A. v. 528. Valerius Maximus lib. Ш. сар. 7. — ** Plinius lib. XI. sect. 51. p. 616. Edit. Hard. *** Idem lib. XXXIV. sect. 19. p. 651. „Ipse tamen corporum tenus curiosus, animi sensus non ex30 pressisse videtur, capillum quoque et pubem non emendatius fecisse, quam rudis antiquitas instituisset 6."

1 „Also sprach und winkte mit schwärzlichen Brauen Kronion;
Und die ambrosischen Locken des Königes wallten ihm vorwärts
Von dem unsterblichen Haupt; es erbebten die Höhn des Olympos."

2 „Fast vom Himmel selbst herabgeholt." - 3„Ein wie großer Teil des Wesens eines Menschen." 4 Ambrosisch ist bei Homer zunächst (nach der Unsterblichkeit gewährenden Ambrosia) Attribut der Götter und ihres Besizes, dann aber alles Große und Schöne. 5 Bildhauer, ein älterer Mitschüler des Phidias. 6 „Er scheint die Körper genau, den seelischen Ausdruck aber nicht dargestellt zu haben, auch Kopf- und Barthaar nicht korrekter geschildert zu haben als die primitiven Alten." * Ibid.,,Hic primus nervos et venas expressit, capillumque diligentius 2." ** „Bergliederung der Schönheit“, S. 47, Berl. Ausg.

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Ich will noch ein Beispiel dieser Art anführen, welches mich allezeit sehr vergnügt hat. Man erinnere sich, was Hogarth3 5 über den Apollo zu Belvedere anmerkt **. „Dieser Apollo", sagt er, und der Antinous 4 sind beide in ebendemselben Palaste zu Rom zu sehen. Wenn aber Antinous den Zuschauer mit Verwunderung erfüllet, so seket ihn der Apollo in Erstaunen; und zwar, wie sich die Reisenden ausdrücken, durch einen An- 10 blick, welcher etwas mehr als Menschliches zeiget, welches sie gemeiniglich gar nicht zu beschreiben imstande sind. Und diese Wirkung ist, sagen sie, um desto bewundernswürdiger, da, wenn man es untersucht, das Unproportionierliche daran auch einem gemeinen Auge klar ist. Einer der besten Bildhauer, welche 15 wir in England haben, der neulich dahin reisete, diese Bildsäule zu sehen, bekräftigte mir das, was iho gesagt worden, besonders, daß die Füße und Schenkel, in Ansehung der obern Teile, zu lang und zu breit sind. Und Andreas Sacchi, einer der größten italienischen Maler, scheinet ebendieser Meinung 20 gewesen zu sein, sonst würde er schwerlich (in einem berühmten Gemälde, welches izo in England ist 7) seinem Apollo, wie er den Tonkünstler Pasqualini & krönet, das völlige Verhältnis des Antinous gegeben haben, da er übrigens wirklich eine Kopie von dem Apollo zu sein scheinet. Ob wir gleich an sehr großen 25 Werken oft sehen, daß ein geringerer Teil aus der Acht gelassen worden, so kann dieses doch hier der Fall nicht sein. Denn an

1 Vgl. S. 34 dieses Bandes, Anm. 2. 2 „Er war der erste, der Muskeln und Adern wiedergab, auch das Haar genauer." 3 William Hogarth (1697 bis 1764), englischer Maler, Radierer und Kunsttheoretiker. Dessen Bergliederung der Schönheit wurde von Lessings Better Mylius 1754 ins Deutsche übersezt und von Lessing in der „Berlinischen privilegierten Zeitung" mit größter Zustimmung angezeigt. 4 Der sogen. Antinous vom Belvedere ist ein Hermes. 5 Gewöhn= lichen, nicht besonders feinfühligen. 6 Römischer Maler (1598-1661). 7 Das Bild ist nach dem Original (in der Sammlung Farnese in London) von Strange gestochen. 8 Wahrscheinlich ein Kastrat der päpstlichen Kapelle.

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